Mathias, in zahlreichen Gesprächen und Interviews sprichst du immer wieder davon, dass „Intergogue“ ein „Kollektiv nicht erwerbsorientierter ArbeiterInnen“ sei. Was meinst du damit?
Naja, ob wir das sind, hängt vom Blickwinkel ab. Die meisten von uns erledigen gewisse Tätigkeiten, damit sie ihre Miete bezahlen, eine Bionade kaufen und samstags einen Wein oder Cocktail trinken können.
Und auch die, die gutes Geld verdienen dafür, die sie ihre Arbeit nicht wegen des Geldes machen, haben wir unter uns.
Wenn der Haupt-Wille aber zum Theatermachen tendiert, und man davon nicht leben kann, und man nicht kostbare Zeit darauf verwenden will, dass man davon leben kann – dann macht einen der Vorsatz „nicht erwerbsorientiert“ ein Stück frei. Klar, dass man auch das sich leisten können muss – indem man eben auch woanders verortet ist. Es wäre aber eine Gesellschaft denkbar, in der dieses „anders verortet sein“ nicht nötig wäre, oder auch dem Lustprinzip geschuldet: Indem die Menschen, die in einer Gesellschaft zusammenleben, sich ein bedingungsloses Grundeinkommen zugestehen beispielsweise. Leisten könnten sie es sich. Es handelt sich also bei „nicht erwerbsorientiert“ um Antizipation künftigen Daseins. Ein Credo, ein politischer Standpunkt von Theaterleuten.
Theaterarbeit bedeutet für mich Befreiung. Ich könnte mir vorstellen, dass gerade nicht erwerbsorientierte Arbeit in der Kunst, in unserem Fall Schauspielkunst, Raum zu mehr Freiheiten lässt und dadurch der Schauspieler noch freier wird in der Ausübung seines Spiels. Es ist ein Privileg, nichterwerbsorientierte Kunst zu machen, weil man nicht liefern, bieten muss. Wie siehst du das?
Das zweifellos. Wir haben ja die Erfahrung, wie wir mit den letzten sehr umfangreichen Produktionen (Megamaschine!) unter Druck gerieten, weil wir liefern mussten. (Premierentermine müssen gehalten werden, wenn man die Bühne dafür gebucht hat.) Das wird sich auch in Zukunft nicht ganz vermeiden lassen. Aber …. Unsere gesamte Neuorientierung zielt ja darauf ab, Freiräume zu schaffen. Befreiung heißt auch, dass man in einen anderen Aggregatzustand kommt, wie ich immer sage. Dass man dieses „von materiellen Bedürfnissen gequälte Sein“ (Büchner) verlassen kann. Das gelingt uns jetzt wieder häufiger, wenn man, z.B., vollkommen geschafft auf eine Probe kommt, die man dann wach, frisch und auf seine Umgebung neugierig wieder verlassen kann. (die Jamaika-Proben!) – Und: Bei dieser Art von Befreiung im Hinterkopf zu behalten, dass das vielleicht auch woanders gehen könnte, wäre ein politischer Standpunkt und eine soziale Verortung. Indem man immer mehr und immer weiter auf die nicht von materiellen Bedürfnissen (Erwerbsarbeit!) gequälten Bereiche zugeht und die – auch durch exemplarische Theaterarbeit – fordert!